Erkennbarer Trend und äußerst beliebt:
Darlehens-Abwicklungs-Konten bei Direktbanken
Beliebt ist auch die Einrichtung von Abwicklungskonten für Darlehen. Das sind ganz normale Girokonten, auf denen die anfallenden Zinsen und die Tilgung gebucht werden. Da auf diesen Konten aber meist keine Kreditlinien eingeräumt werden, bezahlt der Kunde sofort Verzugszinsen von elf Prozent oder mehr, wenn er die negativen Salden nicht pünktlich wieder ausgleicht. Der Höhepunkt der Effektivzins-Manipulation ist jedoch die Verrechnung von Disagio und Bearbeitungsgebühren auf unterschiedliche Zeiträume. Diese finanzmathematischen Spielereien führen nämlich mitunter zu recht makabren Ergebnissen, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.
Die Auszahlung eines Darlehens zu 100 Prozent ist bei Geschäftsbanken nicht üblich. Die meisten Kreditinstitute machen die Vergabe eines Darlehens mit variablem Zins auch von einem Auszahlungsverlust abhängig, der in der Fachsprache meistens Disagio heißt. Der Abzug wird gerne mit steuerlichen Vorteilen begründet. Doch das ist nur die Hälfte der Wahrheit. In Wirklichkeit vergällen die Banken ihren Kunden mit einem Disagio frühzeitige Abwanderungsgelüste – wenn die Zinsen fallen.
Beispiel 1
Eine Bank legt 50.000 Euro aus, Kurs 98 Prozent, Zins 6 Prozent variabel, Tilgung anfänglich 3 Prozent, zu zahlen am Monatsletzten: 382,66 Euro. Benötigt man nun 50.000 Euro effektiv, muss man sich mit 51.020,41 Euro verschulden. Denn nur dieser Betrag führt – ausbezahlt zu 98 Prozent – zu den erforderlichen 50.000 Euro.
Obwohl sich in diesem Beispiel die Bank, die Zinsen und Tilgung jährlich verrechnet, ziemlich sicher war, dass sie den Zins nach drei Monaten erhöhen wird, verteilte sie den Anzahlungsverlust auf vier Jahre. Denn bei einer Verteilung des Disagios auf nur drei Monate hätte sie den anfänglichen effektiven Jahreszins von 14,60 Prozent angeben müssen. Mit diesem Satz wäre sie bei dem Unternehmen aber niemals ins Geschäft gekommen. Als sie aber das Disagio auf 48 Monate verteilte und dem Kunden daher einen Satz von 6,91 Prozent nennen konnte, unterschrieb dieser und meinte, sich finanziell günstig eingedeckt zu haben.
Beispiel 2
Darlehen: 50.000 Euro, Auszahlungsbetrag 47.500 Euro, Auszahlungskurs 95 Prozent, Zins 5 Prozent, Zinsbindung 48 Monate, Tilgung 2 Prozent, monatliche Raten von 291,67 Euro, fällig ab 30. des Monats, Zinsberechnung vierteljährlich, Tilgungsverrechnung monatlich taggenau. Das ergibt einen anfänglichen effektiven Jahreszins von 6,66 Prozent. Da die Bank aber bei den Analysten der Konkurrenzangebote auf Durchschnittswerte von effektiv sieben Prozent gekommen war, wollte sie nicht schlechter dastehen. Deshalb schlachtete sie die Preisangabenverordnung zu ihren Gunsten aus.
Zunächst „verbesserte“ sie den Auszahlungskurs von 95 Prozent. Da sie gleichzeitig aber zusätzlich eine Bearbeitungsgebühr von einem Prozent verlangte und auch die Schätzung mit einem weiteren Prozent in Rechnung stellte, verschlechterte sie den Auszahlungskurs per Saldo auf 94 Prozent. Dann stellte die Bank ihre Kontoführung auf die jährliche Stichtagsverzinsung um und zieht die Raten seitdem bereits am Monats-Ersten ein. Außerdem erhebt sie jetzt noch eine monatliche Kontoführungsgebühr in Höhe von 2.50 Euro. Alle anderen Konditionen bleiben unverändert.
Und siehe da: Diese finanzmathematische Kalkulation beschert der Bank nun ein wesentlich besseres Ergebnis – nämlich einen Effektivzins von 7,17 Prozent. Willkommene Hilfe bot da zum einen die Preisangabenverordnung. Denn der Gesetzgeber lässt die Schätzkosten und die Kontoführungsgebühren beim Effektivzins außer Acht. Zum anderen kopieren die Genossen das in der Kreditwirtschaft heftig umstrittene Disagio-Splitting des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Sie teilen den Auszahlungsverlust von 5 Prozent in ein echtes Disagio von drei Prozent, das sie auf vier Jahre verteilen, und in eine Bearbeitungsgebühr von zwei Prozent, die sie auf die gesamte rechnerische Laufzeit des Darlehens verteilen – rund 26 Jahre.
Mit diesem eleganten Kniff bügeln sie den Effektivzins auf 6,31 Prozent herunter und haben ihr Ziel erreicht: einen ehrlichen Effektivzins von 6,66 Prozent, die Verbesserung der Kalkulation auf 7,17 und den Verkauf dieses Ergebnisses zu einem getürkten Effektivzins von 6,31 Prozent.
Beispiel 3
Umbau eines Eigenheims für 50.000 Euro. Der Kunde selbst hat 25.000 Euro bar, benötigter Kredit 25.000 Euro. Ein Vermittler rät, die Eigenmittel in einen Bausparvertrag von 50.000 Euro einzuzahlen und diesen bis zur Zuteilung in drei Jahren zwischenfinanzieren zu lassen. Kosten des Kredits bei voller Auszahlung und einem Nominalzins von 6 Prozent: 250 Euro, was einem Effektivzins von 6,2 Prozent entspräche. Nach der Zuteilung sei der Vertrag mit 400 Euro im Monat zu tilgen, und der Effektivzins betrage 6,26 Prozent.
Der Vermittler hat nach dem Buchstaben der Preisangabenverordnung richtig gerechnet. Denn er muss nur angeben, wie hoch die effektiven Kosten für die Zwischenfinanzierung sind und was die Tilgung des Bausparvertrages tatsächlich kostet. Auch der Kunde rechnete, allerdings falsch. Er zählte die beiden Effektivzinssätze zusammen, teilte sie durch zwei und kam so zu einem Ergebnis von 6,23 Prozent. Das aber ist ein Trugschluss. Die tatsächlichen Zahlungsströme, auch „cash flows“ genannt, sehen ganz anders aus.
Der Anleger gibt 25.000 Euro aus der Hand und nimmt einen Kredit von 50.000 Euro auf. Zusätzlich bezahlte er an die Bausparkasse eine Abschlussgebühr von 500 Euro und an die Bank eine Bearbeitungsgebühr von 250 Euro. Per Saldo erhält er also einen Kredit von 24.250 Euro. Danach überweist er 36 Monatsraten zu jeweils 250 Euro an die Bank. Anschließend tilgt er den Bausparkredit in 66,62 Monatsraten zu jeweils 400 Euro. Dieser Zahlungsstrom kostet effektiv 9,14 Prozent. Und die Gründe für diesen vergleichsweise hohen Preis sind auch schnell gefunden.
Die Preisangabenverordnung kennt keine Abschlussgebühren, und sie lässt die magere Verzinsung des Eigenkapitals außer Acht. Diese beiden Faktoren sind zusammen mit der Darlehensgebühr von 2 Prozent plus einer Rekordtilgung von anfangs 15,39 Prozent die Ursache für die Kostenexplosion. Solche „unkorrekten“ Effektivzinsen sind im Augenblick natürlich ein Segen für manche Bausparkassen. Denn ohne diese ginge ihr ohnehin schon flaues Neugeschäft wahrscheinlich noch weiter zurück.