Seit April 2005 ist es einer erhöhten Zahl von Administrationen möglich unter bestimmten Voraussetzungen Kontostammdaten deutscher Bundesbürger abzufragen. Dies geschieht über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Jüngste Zugeständnisse zur automatisierten Kontenabfrage wurden vor allem Sozial- und Finanzämtern sowie Arbeitsagenturen gemacht. Sparkassen und Banken in Deutschland haben die Verpflichtung die entsprechenden Informationen zu Kontostammdaten in einer Datenbank zu speichern. Unter reduzierten Datenschutz-Richtlinien haben Bankinstituten Kontostammdaten auf berechtigte Abfrage bereitzustellen.
Verfahren
Bei einer Kontenabfrage werden die Stammdaten eines Kontoinhabers erfragt. »Zu diesen Kontostammdaten zählen zum einen die Kontonummer, das Eröffnungs- bzw. Auflösungsdatum eines Kontos, zum anderen aber auch Name, Anschrift, Geburtsdaten, vorhandene Bausparverträge und Wertpapierdepots der Kontoinhaber.« (Drucksache 17/14455, 30.07.2013, S. 1)
Ziel
Das Ziel der seit 2005 eingeführten automatisierten Kontenabfragen ist in zweierlei Hinsicht zu sehen:
zur Förderung der Steuerehrlichkeit und
zur Prävention bzw. Eindämmung von Wirtschaftskriminalität, Schwarzarbeit oder Sozialleistungsmissbrauch.
Dementsprechend stehen nicht mehr nur die besser »Betuchten« im Fokus, sondern ebenso BürgerINNEN, welche Wohn- oder Elterngeld, BAföG, Unterhaltssicherung oder andere Sozialleistungen beantragen bzw. empfangen. Sozusagen ALLE BürgerINNEN, die Leistungen zur Grundsicherung des Lebensunterhaltes erhalten.
Zum Ende der 1980er Jahre wurde die Diskussion um den Mangel an Kontrollmöglichkeiten einzelner Finanzbehörden immer lauter. Vor allem ging es um die notdürftigen Überprüfungsberechtigungen der Finanzverwaltungen. Im Fokus stand das Problem, dass ein Großteil steuerpflichtiger BürgerINNEN keine wahrheitsgemäßen Angaben mehr zu Einkünften aus ihrem Kapitalvermögen machten.
Dementsprechend schloss sich das Bundesverfassungsgericht mit dem »Zinsurteil« (siehe Entscheidung Bundesverfassungsgericht) den allgemeinen Argumenten bzw. Beschwerden der Finanzämter an. »Infolge dieser Entscheidung wurden mit Wirkung ab dem 1. April 2005 die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden hinsichtlich der Kapitaleinkünfte erweitert. Ein neu eingeführter § 93b AO ermöglicht den Finanzbehörden nach § 93 Abs. 7 AO über das BfF Daten abzurufen, wenn ein Auskunftsersuchen beim Steuerpflichtigen erfolglos geblieben ist oder kein Erfolg verspricht.« (Wikipedia)
Entwicklung seit 2012 – stetiger Anstieg an Kontoabfragen
Seit 2012 werden Kontenabfragen durch eine Vielzahl von Behörden vermehrt durchgeführt. »Im Vergleich zum Einführungsjahr 2005 ließ sich damit sogar eine Steigerung der Abfragen um circa 700 Prozent ausmachen.« (Drucksache 17/14455, 30.07.2013, S. 1) Somit vergrößerte sich nicht nur die Anzahl der Kontoabfragen, sondern auch der Kreis der zur Durchführung Berechtigten wurde kontinuierlich erweitert aus dem Hintergrund zahlreicher Fälle von Erschleichung von Sozialleistungen.
Fallzahlenentwicklung
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Kontenabrufe der einzelnen Institutionen und Behörden über die BaFin seit 2004.
Zur besseren Veranschaulichung finden Interessierte im Folgenden alle Fallzahlen zu Kontenabfragen der einzelnen Institutionen von 2004 bis 2022 in einem Diagramm aufgearbeitet:
Bedienhinweis: Einzelne Datenreihen lassen sich durch Klick auf die betreffende Überschrift aus- und wieder einblenden.
Quellen:
Bedienhinweis: Einzelne Datenreihen lassen sich durch Klick auf die betreffende Überschrift aus- und wieder einblenden.
Quellen:
Behörde mit Auslandsbezug – Das Bundeszentralamt für Steuern wächst
Bedienhinweis: Einzelne Datenreihen lassen sich durch Klick auf die betreffende Überschrift aus- und wieder einblenden.
Quellen:
Kontenabruf wegen nicht-steuerlicher Hintergründe
Eine zusätzliche Zunahme von Kontoabfragen zeigte sich dann im Jahr 2013. Grund hierfür: nun durften auch Gerichtsvollzieher eine Kontoabfrage ersuchen.
Weiter Kontenabruf für andere Zwecke finden im Zusammenhang statt mit
der Berechnung von Einkünften zur Ermittlung der individuellen Höhe von Sozialhilfeleistungen
zur Überprüfung der Sozialversicherungsleistungen
zur Ermittlung des Gesamteinkommens bei sozialerWohnraumförderung
zur Ermittlung individueller Ausbildungs- und Aufstiegsförderung
zur Gewährung von Wohngeld sowie
des Erziehungsgeldes als auch
der Ermittlung der Leistungen zur Unterhaltssicherung.
Wie bereits erwähnt, ist eine weitere Zunahme von Kontenabrufersuchen seit 2013 zu beobachten aufgrund der Berechtigung einzelner Gerichtsvollzieher nach § 8021 Absatz 1 ZPO. Dies gilt für Fälle, in denen ein Schuldner seiner Pflicht nicht nachkommt und keine Auskunft bzw. Falschangabe zum Vermögensstand macht. Zudem auch, wenn ersichtlich wird, dass eine ausreichende Befriedigung des Gläubigers durch die finanziellen Möglichkeiten des Schuldners nicht gegeben bzw. zu erwarten sind. »Ein Kontenabruf ist zulässig, soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist und die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 € betragen.« (Günther, Karl-Heinz, Der AO-Steuerberater 2013, S. 35)
Die Satzung in § 24c Absatz 1 KWG besagt, dass alle Kapitalanlagegesellschaften, Kredit- sowie Zahlungsinstitute die Verpflichtung eingehen, eine Datei zu führen, in welcher Kontostammdaten abgespeichert sind. § 24c KWG stellt somit die gesetzliche Grundlage für das Kontoabrufverfahren dar. Für dieses Verfahren werden also Daten gespeichert wie
Kontonummer
Kontoinhabername, Geburtsdatum sowie die Daten weiterer Verfügungsberechtigter als auch
Eröffnungs- und Kündigungsdatum.
Zur Erfüllung ihrer finanzaufsichtlichen Aufgaben ist es der BaFin aus erforderlichen Gründen gestattet, diese Kontostammdaten Betroffener einzusehen. Zudem kann sie Auskunft erteilen aus der Kontenabrufdatei, jedoch nur an die Behörden, die in § 24c Absatz 3 KWG genannt werden.
Kontostammdaten werden für drei Jahre gespeichert. Dies geschah erstmalig am 1. April 2003 und wurde am 12. Juli 2006 spezifiziert. Dabei werden aber keine Kontostände oder -bewegungen des Kontoinhabers gespeichert.
Da es keine zentrale Datenbank gibt, ist es Aufgabe der Kreditinstitute diese Daten vorzuhalten. Da diese Mammutaufgabe nur schwer durch ein Kreditinstitut zu realisieren ist, wird dieser Bereich in einer Vielzahl der Fälle an externe Dienstleistungsunternehmen vond den Banken ausgelagert. »Die Banken sind verpflichtet, die Daten in einer gesonderten Datenbank bereitzuhalten und erfahren nicht, auf welche Daten die Behörden zurückgreifen. […] Die Kreditinstitute dürfen von der Durchführung eines Kontoabrufes keine Kenntnis erlangen (§ 93b Abs. 4 AO i.V.m. §24c Abs. 1 Satz 6 KWG). Daher führt ein Kontenabruf auch nicht zu negativen Folgen für den Bankkunden.« (Wikipedia)
Kritikpunkte
Kritik zum Verfahren automatisierter Kontenabfragen entstand allein dadurch, dass der ursprüngliche Grund für derartige Abfragen immer mehr in den Hintergrund geriet. Diese Maßnahmen, die sich anfänglich auf die Bekämpfung von internationalem Terrorismus bezogen, wurden zunehmend ausgeweitet auf unterschiedlichste Behörden als auch zum Teil Gemeinden und schließlich Gerichtsvollzieher übertragen.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDi) beklagt zudem die automatische Speicherung aller Stammdaten bei Kontoeröffnung, die den vereinfachten Zugriff zur Kontoabfrage erleichtere. Der BfDi sieht dies als eine »anlasslose[…] Speicherung aller Kontoinhaber in Deutschland […]«.(Drucksache 17/14455, 30.07.2013, S. 5) Die Bundesregierung jedoch ist der Meinung, dass sich diese Maßnahmen zur Kontenabfrage nach §24c Kreditgesetzwesen und §93b rentiert haben, so dass demnach keine Veranlassung zur Eindämmung der Anzahl der Zugriffsberechtigten bestehe. Einer solchen Entwicklung dürfe man nicht entgegen wirken. Skeptiker beharren jedoch auf ihre Kritik und zeigen Befürchtungen durch verwendete Synonyme wie der »gläserne Bankkunde« (siehe Focus, 25.04.2014).
Ein weiterer Kritikpunkt wird durch die Banken angeführt. Diese haben für derartige Verfahren die Kosten zu tragen, auch wenn sie selbst als Institution nicht der Nutzer dieses Systems sind.
Bald noch deutlich mehr Kontenabfragen?
Auch wenn sich die Anzahl der Kontenabfragen je nach Behörde seit 2004 schon teilweise verachtfacht hat, ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht in Sicht. Einen gewaltigen Schub könnte es bald geben, denn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine Beamten haben einen 13-Punkte-Plan vorgelegt, in dem auch die Aufhebung des Paragraphen 30a Abgabenordnung (Schutz von Bankkunden) sowie die erleichterte Durchführung von Sammel-Auskunftsersuchen vorgeschlagen wird. Sollte dieser Plan in die Realität umgesetzt werden, könnten Finanzbeamte anlasslos die Konten jedes einzelnen Bürgers oder Unternehmens abfragen.
Fazit
Der »gläserne bzw. durchsichtige Steuerbürger oder Bankkunde« wird mehr und mehr Realität durch die Möglichkeit der Kontenabrufe. Dementsprechend gelangt eine immer größere Zahl an BürgerINNEN (Sozialleistungsempfänger, Studenten, Rentner, Steuerzahler generell etc.) ins Visier von Finanzbehörden, die bisher nur wenig mit Kontenabrufen beschäftigt waren.
Sie möchten ein Girokonto eröffnen? Oder wird Ihr aktuelles Girokonto Ihren Ansprüchen nicht gerecht? Sie suchen ein günstiges Girokonto mit attraktiven Konditionen?
In unserem Festgeld-Vergleich stellen wir Ihnen zahlreiche Festgeld-Anbieter mit lukrativen Konditionen vor. Unsere Empfehlung: Jetzt vergleichen und Rendite sichern.
Bargeldloses Bezahlen im europäischem In- oder Ausland und zusätzlich von attraktiven Zusatzleistungen profitieren? Mit einem Kreditkartenkonto ist das möglich.