Mit der letzten Stufe gibt man einer Rakete noch einmal Schub und bringt sie auf Kurs. Beim Zahlungskontengesetz sprühen indes nur ein paar Funken. Nach einem grandiosen Start im Jahr 2016 beweisen die abschließenden Maßnahmen einmal mehr, dass Bürokratie sich auch als Bremse erweisen kann. So taumelt man durch eine Vielzahl teils unsinniger Vorschriften, statt den Verbraucherschutz rund ums Girokonto auf den Punkt zu bringen.
- Mit dem Basiskonto zündete die erste Stufe des Zahlungskontengesetzes.
- EU verordnet Banken mehr Transparenz – mittels Entgeltinformationen und -aufstellungen.
- In Deutschland gibt es noch kein zertifiziertes Girokontovergleichsportal.
- Banken münzen den Aufwand aller Voraussicht nach in neue Gebühren um.
Banken müssen die Hosen herunterlassen
Am 31. Oktober 2018 ist nun die letzte Stufe des Zahlungskontengesetzes gestartet worden. Thema: Transparenz. Das Credo: Wenn schon der Kontowechsel einfacher wird, warum nicht auch der Girokontovergleich. Diesbezüglich werden gleich zwei Speerspitzen ausgefahren. Bislang greift jedoch nur eine.
Der erste Ansatz zielt auf die Banken. Sie sind jetzt in der Pflicht, Interessenten und Kunden ausführlich über die Kosten rund um das Konto zu informieren. Eine standardisierte Übersicht mit per Gesetz definierten Begriffen soll die Gebührenstrukturen der einzelnen Kontomodelle transparenter machen. Zusätzlich zu dieser Entgeltinformation müssen Banken auch eine Entgeltaufstellung verschicken und auflisten, wofür genau Kontoinhaber bezahlt haben.
Die Entgeltinformation
„Für die sogenannte Entgeltinformation gibt es ganz klar einen Daumen hoch. Einige Banken hielten es bislang nicht für nötig, online oder per Aushang in den Filialen über die Gebühren zu informieren. Kunden mussten nachfragen oder sich überraschen lassen. Das ist jetzt vorbei. Mit dem „Gesetz über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen“ wird in Abschnitt 2 die Entgeltinformation eingeführt.
„Die Entgeltinformation ist als ein kurz gehaltenes, eigenständiges Dokument abzufassen. Sie muss so gestaltet sein, dass sie klar und leicht verständlich ist. Schriftart und Schriftgröße sowie Farbgestaltung müssen so gewählt werden, dass die Entgeltinformation sowohl im Original als auch ebenso, wenn sie farbig oder schwarz-weiß kopiert oder ausgedruckt wird, gut lesbar ist“, besagt Paragraf 9 Absatz 2.
Das zertifizierte Vergleichsportal
Entscheidet sich der Verbraucher aufgrund der zu hohen Gebühren für einen Kontowechsel, soll ihm auch hierbei geholfen werden: mit einem – mindestens einem – zertifizierten Vergleichsportal. „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verbraucher entgeltfreien Zugang zu mindestens einer Website haben, die einen Vergleich der Entgelte ermöglicht“, schreibt die EU-Richtlinie vor (Artikel 7 Absatz 1).
Für solche Vergleichswebsites gilt: Sie müssen unabhängig arbeiten, die Inhaber eindeutig offenlegen, für den Vergleich klare und objektive Kriterien verwenden, leicht verständlich verfasst werden und mit korrekten aktuellen Informationen aufwarten. Laut EU besteht zudem die Pflicht, „eine breite Palette an Zahlungskontoangeboten, die einen wesentlichen Teil des Marktes abdeckt“, zu berücksichtigen. Soweit so gut.
Unsinnige Klauseln und Probleme
Das Problem, mit dem man in Deutschland gerade kämpft: Es gibt kein einziges zertifiziertes Portal und nicht einmal eine Zertifizierungsstelle. Zuständig dafür ist die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH, DAkkS. Sie akkreditiert die Prüfstelle(n) für die Websites. An Portalen, die das entsprechende Siegel tragen wollen, mangelt es nicht. Nur Prüfer finden sich keine. Infrage kämen zum Beispiel die Dekra und der TÜV. Doch die finden das Geschäftsfeld wenig interessant – auch finanziell.
Abgesehen davon sind die Vorschriften für die Vergleichsportale altbacken und realitätsfern – um es vorsichtig zu formulieren. Etwa: Filialnetz und Bargeldbezugsstellen. Der Girokontovergleich muss unter anderem die Zahl der Filialen samt Postleitzahlen nennen. Ganz ehrlich, wenn interessiert die Postleitzahl? Wer den Service einer Filiale in Anspruch nimmt oder nehmen möchte, fragt – wenn überhaupt – nach der Straße. In der Regel wissen Kunden ohnehin sehr genau, wo sie die Niederlassung der Bank finden.
Bargeldbezug
Geht es um das Thema Bargeldbezug und Geldautomaten, darf man streiten. Das Muster für die Vergleichskriterien zum Geldautomatennetz ist zum Beispiel schlecht durchdacht. Es nennt zwei Punkte: Die „Anzahl der inländischen Selbstbedienungsgeräte, die die Ausgabe von Bargeld ermöglichen und an denen der Kunde die Geldausgabefunktion mit einer zum Zahlungskonto ausgestellten Zahlungskarte unentgeltlich nutzen kann“ und ob es Geräte im Ausland gibt, die unentgeltlich genutzt werden können.
Einfach nur eine Zahl zu nennen, ist unsinnig. Es fehlen Informationen dazu, von wem die Geräte betrieben werden. Ist es nur die Bank, bei der man das Konto eröffnet? Oder gehört das Kreditinstitut einem Verbund an, sodass Kunden auch die Automaten anderer Banken kostenfrei nutzen können? Darauf weist auch die Deutsche Kreditwirtschaft in einer Stellungnahme hin. Oder: Sind mit der Kredit- bzw. Bankkarte vielleicht überall – oder fast überall – kostenfreie Barverfügungen möglich? Nur so sind Verbraucher umfassend informiert.
Doch selbst damit würde übersehen, dass es längst andere Wege gibt. Nahezu jede Bank erlaubt es, mit der Debitkarte kostenlos Geld im Supermarkt abzuheben. Wer also keinen Automaten vor Ort hat, kann zur Not auch im Einzelhandel Bares erhalten. Oder man bezahlt per Karte. Denn auch in Deutschland verliert Bargeld nach und nach an Bedeutung.
Was bleibt unter dem Strich?
Die Transparenzoffensive der EU trägt mit dem Zahlungskontengesetz zumindest kleine Früchte. Banken zu verpflichten, klar und deutlich über die Entgelte zu informieren, war überfällig. Diese Daten mittels zertifizierter Vergleichsseiten zu bündeln, haut hingegen noch nicht hin. Hier hat man zu feingliedrig gedacht, Trends übersehen und statt mit dem Herzen des Verbrauchers zu agieren auf die Stimme des Bürokraten gehört.
Was bringt es Verbrauchern? Sie sind künftig besser informiert. Ihnen bei den Kosten ein X für ein U vorzumachen, funktioniert jetzt nicht mehr. Nur leider hat die EU eines übersehen: Der Aufwand, den Banken jetzt betreiben müssen, verursacht neue Kosten. Und die werden (über verschlungene Wege) dann wieder auf die Kunden abgewälzt. Die sind daher nach wie vor gut beraten, selbst zu vergleichen und sich auf die eigenen Wünsche und Anforderungen zu verlassen, statt auf den Amtsschimmel zu hören.
Hintergrund: Die Anfänge: das Basiskonto
Der Grundgedanke der Europäischen Union, Bürgern mehr Rechte einzuräumen und Banken die Leviten zu lesen, wurde mit der Richtlinie 2007/64/EG (Zahlungsdienste-Richtlinie) schon früh in Worte gegossen. Bis sie in nationales Recht umgewandelt wurden, dauerte es ein wenig. Der erste Schritt war das Basiskonto, auch bekannt als Girokonto für jedermann. Eine wichtige Entscheidung, die bei den Banken auf viel Widerstand stieß.
Ebenfalls zu begrüßen sind die Bemühungen um einen leichteren Girokontowechsel. Statt dem Kunden die Arbeit aufzubürden, wie es in der Vergangenheit der Fall war, sind dank Zahlungskontengesetz jetzt die Banken in der Pflicht. Wie sehr der Amtsschimmel dabei involviert ist, zeigt sich an der gesetzlichen Kontowechselhilfe. Das Formular, das Verbraucher ausfüllen sollen, ist schlichtweg ein Graus – verklausuliert und kompliziert. Nur gut, dass viele Banken komfortablere Systeme etabliert haben.