Sparkasse darf keine Erbberechtigung durch Vorlage eines Erbscheins verlangen
Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az: I-31 U 55/12)
Wenn ein Mensch verstirbt, ist es für die Angehörigen immer ein großer Schock und mit viel Schmerz und Leid verbunden. Hinzu kommt jedoch, dass es oft Probleme gibt, was das Erbe betrifft. Unzählige gerichtliche Prozesse und sonstige Streitigkeiten in der Vergangenheit sind auf Erbschaftsangelegenheiten zurückzuführen.
Dass diese Erbschaftsangelegenheiten nicht etwa nur durch Streitigkeiten zwischen Hinterbliebenen, d.h. zwischen Privatpersonen entstehen, zeigt ein Gerichtsprozess, der kürzlich vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelt wurde. Es geht um die Frage, ob ein Kreditinstitut als Nachweis für eine Erbberechtigung die Vorlage eines Erbscheins durch den Erben verlangen kann.
Hier die einzelnen Details des pikanten Falls:
Die Klägerin war als rechtmäßige Erbin eingesetzt worden. Um an das finanzielle Erbe zu gelangen, legte sie der betreffenden Sparkasse einen notariell beglaubigten Erbvertrag sowie das amtliche Protokoll der Testamentseröffnung vor. Durch diese Dokumente konnten sie nachweisen, dass sie die rechtmäßige Erbin ist. Die Sparkasse wollte die betreffenden Dokumente jedoch nicht als Nachweis für die Erbberechtigung akzeptieren und forderte von der Klägerin die Vorlage eines Erbscheins. Als die Sparkasse nach der Weigerung der Klägerin das Erbe nicht auszahlen wollte, wurde sie von ihr verklagt.
Die Richter am Oberlandesgericht Hamm gaben der Klage statt und entschieden, dass die Vorlage des Erbscheins von einer Sparkasse nach deutschem Recht nicht gefordert werden kann. Zwar habe das Kreditinstitut in seinen AGB eine entsprechende Klausel aufgesetzt, diese Klausel sei jedoch unzulässig. Der Erbin stehe es frei, ihre Berechtigung auch auf andere Art und Weise nachzuweisen. Die entsprechenden Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse würden davon unberechtigt abweichen und müssten entfernt werden.
Erbscheinnachweis muss im Kostenverhältnis stehen
Im weiteren Verlauf der Verhandlung monierten die Richter noch weitere Details an der entsprechenden Klausel in den AGB der Sparkasse. So wurde vom Gericht beispielsweise angeführt, dass die Kosten für einen Erbschein durchaus beträchtliche Höhen erreichen könnten, und diese Kosten in keinem Verhältnis dazu stehen würden, wenn das Erbe auf dem entsprechenden Konto nur einen sehr geringen Betrag aufweist. In diesem Fall würde das Verlangen der Vorlage eines Erbscheins eine unangemessene Benachteiligung für den Erben darstellen, die rechtlich nicht haltbar sei.
Und die Kritik der Richter ging noch weiter: Sie kritisierten, dass laut den AGB der Sparkasse der Erbschein auch dann verlangt werden könne, wenn das entsprechende Erbrecht nicht zweifelhaft bzw. durch andere Dokumente nachgewiesen sei.
Generell sei im deutschen Recht festgelegt, dass ein Erbe nicht verpflichtet dazu sei, zum Antritt seines Erbes den entsprechenden Erbschein vorzulegen. Der Erbschein sei ein freiwillig zu erlangendes Dokument. Durch die Vorlage der Testamentseröffnung sowie einen notariell beglaubigten Erbvertrag seien genügend Nachweise erbracht worden, dass der Betreffende der rechtmäßige Erbe ist.
Fazit
In der Vergangenheit berichteten viele Erben darüber, beim Antritt ihrer Erbschaft insbesondere von Unternehmen im Finanzbereich mit unverhältnismäßigen Auflagen und anderen Schwierigkeiten überhäuft worden zu sein. Für viele Menschen liegt der Verdacht nahe, dass sich die Kreditinstitute versuchen davor zu drücken, Erbschaften schnell und unbürokratisch auszuzahlen. Schließlich bedeutet jeder gewonnene Tag Zinseinnahmen für das entsprechende Kreditinstitut. Für den Erben bedeuten solche Hürden jedoch einerseits einen Zeitverlust und andererseits Probleme und blank liegende Nerven.
Das hier vorliegende Urteil könnte somit als Präzedenzfall dazu dienen, dass Banken und andere Finanzdienstleister in Zukunft Erbschaften schneller und problemloser an den rechtmäßigen Erben auszahlen. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, entsprechende Nachweise zu fordern, allerdings müssen dabei die gesetzlichen Vorgaben und Regularien unbedingt eingehalten werden.