Mindestpauschalen für Kontoüberziehungen ab sofort verboten
Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. XI ZR 9/15)
Wir hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach von Fällen berichtet, bei denen es um die Gebühren ging, welche Banken für die Überziehung eines Girokontos berechnen. Es geht also um den sogenannten Dispokredit und über die damit verbundene, geduldete Überziehung des Kontos. Die geduldete Überziehung greift immer dann, wenn der Disporahmen bereits bis zur obersten Grenze ausgereizt ist, der Kunde aber trotzdem weiteres Kapital benötigt. Bringt dieser die notwendige Bonität mit, steht der Einräumung eines geduldeten Überziehungsrahmens in der Regel nichts im Wege.
Der Dispokreditrahmen wird also um die geduldete Überziehung erweitert, dem Kontoinhaber steht ab sofort mehr finanzieller Spielraum zur Verfügung. Doch warum macht man überhaupt einen Unterschied zwischen den beiden Überziehungsformen? Ganz einfach: Weil es unterschiedliche Gebühren und Zinssätze dafür gibt. Und während ein Überziehen des Girokontos in den Grenzen des festgelegten Disporahmens bereits eine teure Angelegenheit ist, steigert sich das Ganz bei der geduldeten Überziehung nochmals bis in schwindelerregende Höhen.
Die Banken machen das übrigens ziemlich gerne und selbstverständlich nicht uneigennützig. Verspricht bereits die Nutzung des herkömmlichen Dispositionskredites satte Gewinne durch die darauf erhobenen Zinsen, so langen die Banken bei der geduldeten Überziehung nochmals heftiger hin. Zinssätze von bis zu 20 % sind hier eher die Regel als die Ausnahme. Noch ärgerlicher wird es allerdings, wenn für die geduldete Überziehung eines Girokontos seitens der Bank eine Mindestpauschale berechnet wird. Das bedeutet konkret: Auch wenn der Kunde den erlaubten Disporahmen nur um wenige Cent überschreitet, muss er die geforderte Mindestpauschale an die Bank zahlen. Verbraucherverbände hatten diese Regelungen in den letzten Jahren bereits des Öfteren scharf kritisiert, schließlich stehen hier der in Anspruch genommene Kreditvertrag und die dafür gezahlten Gebühren in vielen Fällen in keinem annehmbaren Verhältnis zueinander.
Genau um diesen Sachverhalt ging es in dem wegweisenden Prozess, der nun vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wurde. Hier hat der BGH ein Urteil gesprochen, das weitreichende Auswirkungen haben dürfte. Der genaue Sachverhalt gestaltet sich wie folgt:
Mehrere Verbraucherzentralen hatten sowohl die Deutsche Bank als auch die Targobank verklagt, da diese für die geduldete Überziehung eines Girokontos unabhängig von der Höhe des Betrags und der Dauer der Überziehung eine Mindestpauschale zwischen knapp drei Euro bzw. fast sieben Euro verlangten. Im Extremfall kam es dadurch vor, dass ein Kunde lediglich für einen Tag seinen Dispositionsrahmen um wenige Cent überschritt und dafür fast sieben Euro Gebühr zahlen musste. Die Verbraucherzentralen sahen hierin den Bestand des Wuchers erfüllt und verklagten daher die Kreditinstitute. Zudem werde der Verbraucher durch entsprechende Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Girokonten unangemessen benachteiligt, so die Kläger. Banken könnten diesem Zusammenhang den gesamten Aufwand auf den Kunden abwälzen, unabhängig von Höhe und Laufzeit eines Kredites. Dies sei rechtlich nicht haltbar.
Diese Regelung wurde nun durch das Urteil des Bundesgerichtshofs, in dem dieser den Ausführungen der Verbraucherverbände folgte, gekippt. Dabei gingen die Richter am BGH ins Detail und rechneten vor:
Mit den durch die beklagten Banken festgelegten Mindestgebühren für die geduldete Kontoüberziehung entspräche eine eintägige Überziehung eines Betrags von 10.- Euro einem Jahreszinssatz zwischen 10.767 % und 25.185 %. Diese Zinssätze seien völlig unverhältnismäßig, und der Verbraucher werde dadurch unangemessen benachteiligt. Die zukünftige Erhebung solcher pauschalen Mindestgebühren wurde durch das Urteil des Bundesgerichtshofs nun verboten, gleichzeitig verpflichteten die Richter am BGH die Banken, sämtliche Kosten künftig komplett in die Zinsen einzupreisen.
Im Verlauf der Gerichtsverhandlung hatten die Anwälte der beklagten Kreditinstitute noch versucht, das Gericht umzustimmen und von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Dabei sprachen sie wortgetreu von „Peanuts“, um die es hier in finanzieller Hinsicht für den Verbraucher ginge. Den Banken dagegen entstehe selbst durch kleinste Kreditsummen ein vergleichsweise hoher Aufwand, zum Beispiel durch die in jedem Einzelfall notwendige Prüfung der Bonität des Kunden. Dieser Aufwand lassen sich alleine über die Zinsen nicht finanzieren.
Auch die Anwälte der Kreditinstitute rechneten vor Gericht diesbezüglich einen fiktiven Fall durch: Sie setzten einen Zinssatz von 16,5 % für die geduldete Überziehung voraus und nahmen ferner an, dass der Kunde sein Konto für eine Woche um 1.000 Euro überzieht. In diesem Fall zahle er laut Meinung der Anwälte lediglich Zinsen in Höhe von 3,16 Euro, was den durch den Kredit entstandenen Aufwand in keinster Weise abgelte.
Die Richter am BGH ließen sich von diesen Ausführungen jedoch nicht umstimmen und sprachen das Urteil schließlich wie dargestellt. Den beklagten Banken blieb daher nichts anderes übrig, als einzulenken. So erklärte ein Sprecher der Targobank nach dem gesprochenen Urteil, das Kreditinstitut werde zukünftig auf die Erhebung pauschaler Entgelte für die geduldete Überziehung verzichten und bei bereits gezahlten Entgelten und den daraus entstehenden, berechtigten Ansprüchen diesen umgehend nachkommen.
Die pauschalen Gebühren für geduldete Überziehungen auf Girokonten dürften mit diesem Urteil endgültig der Vergangenheit angehören. Bereits im Jahr 2014 waren diesbezüglich zwei Grundsatzurteile gesprochen worden, an die der BGH nun mit seiner Entscheidung angeknüpft hat. In den Grundsatzurteilen waren bereits laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühren für Kreditverträge gekippt worden, da laut Meinung der Gerichte die Kreditinstitute mit der Erhebung dieser Gebühren ihre Kosten auf den Verbraucher abwälzen. Damit dürfte nun endgültig Schluss sein.