Einkommen aus nebenberuflicher Lehrtätigkeit steuerfrei
Zur Steuerbefreiung von nebenberuflichen Lehrtätigkeiten
Urteil des Sozialgerichts Gießen (Az. S 18 SO 93/16 ER)
Steuerbefreiung oder nicht – über diese Frage mussten in Deutschland schon unzählige Male verschiedene Gerichte entscheiden. Die verschiedenen Gesetze und Regelungen zur steuerlichen Einordnung sind so vielfältig und schier unüberschaubar, dass auch die Finanzämter hiermit immer wieder überfordert sind und Entscheidungen fällen, die einer anschließenden gerichtlichen Beurteilung nicht standhalten. Um einen solchen Fall geht es im Folgenden, er wurde vor dem Sozialgericht Gießen verhandelt.
Hier der genaue Sachverhalt:
Kläger im zugrundeliegenden Verfahren war ein 1946 geborener Mann, der eine geringe Altersrente von lediglich rund 364.- Euro bezog und daher seit Januar 2012 ergänzende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII von der Beklagten erhielt. Zusätzlich erzielte der Kläger Einkünfte durch eine unterrichtende Tätigkeit bei zwei Volkshochschulen. Diese Einkünfte beliefen sich auf 2.335,32 Euro pro Jahr, woraus sich ein Durchschnittseinkommen von knapp 195.- Euro pro Monat ergibt.
Die Beklagte, der zuständige Landkreis, erfuhr im Rahmen des Weiterbewilligungsverfahrens von den Honorareinkünften des Klägers und änderte daraufhin den Bewilligungsbescheid so ab, dass das Durchschnittseinkommen für die Honorareinkünfte an beiden Volkshochschulen ermittelt und anschließend als Einkommen angerechnet wurde. Begründung des Landkreises: Bei der durch den Kläger ausgeführten Lehrtätigkeit an einer Volkshochschule handelt es sich nicht um eine nach § 3 Nr. 26 EStG privilegierte, mildtätige oder gemeinnützige Tätigkeit. Somit sei die Tätigkeit auch nicht nach dieser Norm als steuerfrei anzusehen. Vielmehr sei der Sinn der Norm in der Privilegierung von Betreuern gemeinnütziger Vereine im Jugend- und Sportbereich zu sehen.
Der Rentenbezieher sah sich mit dieser Entscheidung des Landkreises nicht einverstanden und strengte ein Eilverfahren an, um gegen die Anrechnung der Honorareinkünfte als Einkommen nach § 82 SGB XII vorzugehen. Damit hatte er Erfolg. Das Sozialgericht Gießen erkannte die durch den Kläger ausgeführte unterrichtende Tätigkeit als steuerfrei an und bezog sich dabei auf § 3 EStG, nach dem nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder Vergleichbares zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 SKStG fallenden Einrichtung als steuerfrei einzuordnen sind. Dies sei auch auf die hier vorliegende Tätigkeit anzuwenden.
Als „steuerfreie Aufwandsentschädigung“ seien laut Gericht Einnahmen für die bezeichneten Tätigkeiten in einer Höhe von insgesamt bis zu 2.400 Euro im Jahr anzusehen. Unter die begünstigten Tätigkeiten fallen jene, die die Entwicklung geistiger und leiblicher Fähigkeiten anderer Menschen durch Ausbildung vorhandener Anlagen zum Ziel haben, und auch solche, durch die Menschen ihre Fähigkeiten selbst entwickeln oder erproben können. Somit sei auch eine unterrichtende Tätigkeit, die selbstständig ausgeübt wird und zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG führe, als steuerfrei im Rahmen der genannten Grenze anzusehen.
Insbesondere die Tatsache, dass der Antragsteller sich als Dozent an der Volkshochschule durch den eigenen Vortrag am Unterricht beteiligt hat, sei für eine unterrichtende Tätigkeit nach § 18 EStG kennzeichnend. Somit gestalte der Antragsteller die Unterrichtsveranstaltungen selbst und gebe ihnen damit den Stempel seiner Persönlichkeit. Auch habe er die Verantwortung für die in seiner Zuständigkeit abgehaltenen Lehrveranstaltungen getragen.
Dem Antrag wurde somit stattgegeben. Das Einkommen aus der unterrichtenden Tätigkeit wird als steuerfrei betrachtet und fließt nicht mit in die Berechnung der ergänzenden Sozialleistungen mit ein.